Das Angebot an Weinen ist überwältigend. Und für die meisten Weintrinker definitiv auch überfordernd. Das war schon Ende der Achtziger so, als sich Robert Parker sein Imperium aufbaute. Und ist es heute erst recht.
Robert Parker war damals ein Revoluzzer. Der Amerikaner wollte sich nicht mehr von britischen Weinjournalisten diktieren lassen, welche Weine aus Frankreich – die anderen Weinregionen fanden damals wenig bis gar keine Beachtung bei den Weinkritikern – die Besten sind. Also begann er, selbst Weinkritiken zu schreiben und diese an Abonnenten zu verschickten. Mit riesigem Erfolg! Bald darauf hängte der Jurist seinen alten Job an den Nagel und konzentrierte sich aufs Wein trinken und bewerten.
Je einfacher desto besser
Um Weinliebhabern im riesigen Weindschungel möglichst viel Orientierung zu geben, erstellte Parker sein eigenes, sehr einfaches Punktesystem, das man sich auch nach zwei Flaschen Bordeaux noch merken kann. 100 Punkte gibt es maximal für einen Wein zu holen, ab 50 Punkten wird gezählt. So circa ab 86 Punkten werden Weine aus Parker’s Sicht interessant, bei 100 haben sie das Zeug zur Legende. Den von der immensen Weinauswahl überforderten Konsumenten, kam so ein simples Punktesystem als Orientierungshilfe natürlich gelegen.
So weit so gut… Es ist lobenswert, dass Robert Parker die Alleinherrschaft der britischen Weinjournalisten durchbrochen hatte. Doch Parker’s Punktesystem und dessen unglaublicher Erfolg haben auch Schattenseiten.
Die Macht der Punkte
Parker bevorzugt einen bestimmten Stil an Weinen. Es sind die marmeladigen, alkoholreichen, kräftig-fruchtigen Tropfen, die von ihm und seinem Stab in den Wein-Himmel gepunktet werden. Die Konsumenten folgten dem Urteil von Parker blind und kauften die Regale leer von allen Weinen, die von Parker mit 90 oder mehr Punkten bewertet wurden. Das wiederum führte dazu, dass die Winzer ihre Weinproduktion an den Geschmack von Parker und Co. anpassten, um eine möglichst hohe Bewertung zu erhalten. Das führte in einigen Regionen ziemlich schnell zu einem Einheitsbrei, weil alle nur noch Weine machten, die Parker und seinem Team gefallen sollten.
Zum Glück gab es schon bald eine Gegenbewegung von jungen Winzern und Weintrinkern, die nichts mit dem Parker-System zu tun haben wollten. Parker hat dann, wenn auch etwas spät, die Zeichen der Zeit erkannt und heute findet man auch mineralische, alkoholarme, delikate Weine mit vielen Parker-Punkten.
China auf dem Vormarsch
Doch die Macht der Parker-Punkte bleibt vorderhand unantastbar. Auch Bestechungsvorwürfe konnten dem System nichts anhaben. Zu viele profitieren davon. So konnte sich Parker sein Lebenswerk vor ein paar Jahren vergolden lassen. Er verkaufte einen Grossteil seines Unternehmens an Investoren aus Singapur. Nun ist es also eine asiatische Firma mit vorwiegend amerikanischen Weinverkostern, die bestimmt, welche Weine wie viele Parker-Punkte erhalten und welche somit auch gekauft werden und welche nicht. Das ist vor allem für die aufstrebende Weinnation China von grosser Bedeutung. Denn China möchte sich auf dem Weinmarkt als Big Player etablieren und dafür brauchen sie Parker-Punkte.
Verschiedene Meinungen einholen, vor allem seine eigene
Ist denn alles per se schlecht an diesem simplen Parker-System und überhaupt an den Bewertungen von Weinkritikern? Nein, natürlich nicht. Aber es empfiehlt sich, seinen Horizont zu erweitern, denn es gibt zahlreiche andere Bewertungsquellen. So hat fast jedes wichtige Weinland seine eigene Bewertungsbibel. In Italien sind dies Gambero Rosso, Espresso und Veronelli, in Österreich Falstaff und Gault-Millau, in Frankreich der Hachette, in Spanien der Peñin und so weiter.
Wenn man sich schon auf andere Meinungen stützen möchte, dann hilft sicherlich der Blick über den «parkerschen» Tellerrand. Noch besser ist es aber definitiv, seinem eigenen Urteil zu vertrauen. Denn sonst bleibt man beim Geschmack immer fremdbestimmt, und das kann ja nicht das Ziel sein eines Weinliebhabers. Schlussendlich zählt, was einem persönlich schmeckt. Bewertungen hin oder her!
PS: Um seine eigenen Lieblingsweine zu finden, gibt es nur eins: degustieren, degustieren, degustieren. Am besten gleich die nächste Chance nützen und an unserer Degustation am nächsten Donnerstag, 24. November, in Schlieren vorbeischauen! Die Türen sind ab 18 Uhr geöffnet, wir freuen uns auf euch!
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